Donnerstag, 13. September 2007

Die Feinde müssen jetzt ans Mittelmeer


Ansonsten hoffe ich, dass wir immer kein Geld haben daheim, damit ich in den Ferien dableiben kann und nicht wie der Hinreiner Rudi oder der März Wolfgang wegfahren muss, in ein Hotel, da wo es so heiß ist. Gerade zu der Zeit, wenn es Kaulquappen gibt und man so viel damit anfangen kann - und meine neue Zwistel ist saugut, da kann man einem sogar die Zigarre aus dem Mund schießen, wenn man trifft. Aber der Rudi muss jetzt weg und seine Zwistel darf er auch nicht mitnehmen nach Spanien, weil dort lauter interessante Menschen sind.

Mein Baumhaus ist bald fertig und die Verteidigung könnte beginnen. Acht Pfeile hab' ich schon, aber wie gesagt, die Feinde müssen jetzt ans Mittelmeer, aber wenn sie zurückkommen, dann stinkt es ihnen, weil ich wieder beim Schwarzfinschen war und außerdem - wenn ich wieder einen Eimer voll Kartoffelkäfer gesammelt habe, kann ich mir auch ein Eis kaufen!

Aus: Gerhart Polt, Hundskrüppel. Lehrjahre eines Übeltäters, Zürich 2004, Verlag Kein & Aber

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Die Menschen würden aufhören zu sterben


Im Frühjahr 1929 passierte in unserer Familie allerlei, was ich wahrnahm, ohne es verstehen zu können. Ich sah die Tränen meiner Mutter und die Hilflosigkeit meines Vaters, ich hörte sie jammern und klagen ...

Die Katastrophe ließ denn auch nicht lange auf sich warten. Sie hatte zwei Gründe: die große Wirtschaftskrise und meines Vaters Mentalität. Er war solide und anspruchslos, gütig und liebenswert. Nur hatte er leider den falschen Beruf gewählt, denn von kaufmännischen Fähigkeiten konnte bei ihm nicht die Rede sein. Er war ein Geschäftsmnann und Unternehmer, dessen Geschäfte und Unternehmungen in der Regel wenig oder nichts einbrachten. Natürlich hätte er dies früher oder später einsehen sollen, er hätte sich nach einer anderen Tätigkeit umschauen müssen. Aber hierzu fehlte ihm jegliche Initiative. Fleiß und Energie gehörten nicht zu seinen Tugenden. Charakterschwäche und Passivität bestimmten auf unglückselige Weise seinen Lebensweg.

Hätte ihr Mann, pflegte meine Mutter zu sagen, Särge hergestellt, denn würden die Menschen aufhören zu sterben. Sie hat damals sehr gelitten. Sie schämte sich, auf die Straße zu gehen, denn sie rechnete mit höhnischen oder verächtlichen Blicken der Nachbarn und Bekannten.

Aus: Marcel Reich-Ranicki, Mein Leben, München 2006, dtv-Verlag

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