Dienstag, 2. Oktober 2007

Krankheit ist Kränkung, tiefe existentielle Erniedrigung


Es ist ja nicht so, dass es einem an Glücksmomenten fehlt im Falle einer tödlichen Erkrankung. Unmittelbar vor meiner Notoperation hatten wir noch im Park der Klinik auf dem Rasen gelegen, durch das Laub der Bäume blitzte die Abendsonne. Ich sah meine Frau über mich gebeugt, und es war, als passierten im Schnelldurchlauf alle glücklichen Momente unseres Lebens noch einmal. Ein wunderbarer Augenblick.

Nein, es ist nicht das Glück, es ist der Sinn, der infrage steht. Warum? Warum ich? Warum jetzt? Warum so? Was soll ich lernen?

Der Schmerz sei der Stachel, der uns immer auf Neue zum Nachdenken über das gesamte Leben nötige, schreibt der Philoph Wilhelm Schmid. Aber in Wahrheit erlebe ich nicht Schmerzen als größte Herausforderung - die kann die moderne Medizin zumindest weitgehend eindämmen -, sondern die Kränkung des Nicht-mehr-mitspielen-Könnens, die Fülle von Miseren wie Halsentzündung und Brechreiz, Geschmacksunfähigkeit und Schluckbeschwerden, nicht heilenden Wunden und Schlaflosigkeit - sowie Ohnmacht, Ohnmacht, Ohnmacht.

"Altern ist Scheitern", sagt barsch eine Freundin, die auch gerade aufhört zu arbeiten. Aber Altern enthält ja auch Momente der Freude und der Freundschaft, frei gewählter neuer Bindungen an Aufgaben und Menschen. Mein, meine These heißt: Krankheit ist Kränkung, tiefe existentielle Erniedrigung.

(Jürgen Leinemann, früherer Politik-Berichterstatter des SPIEGEL, der schwer an Krebs erkrankt ist, und darüber erzählt. Aus: Das Verflixte 70. Jahr, ZEIT-Magazin, 27. September 2007.)

Quelle: Die Zeit

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Montag, 1. Oktober 2007

Dafür dieser ganze Aufwand?


ZEIT: Herr Schmidt, wie geht es eigentlich Ihren Eltern mit Ihrem Ruhm?

Schmidt: Völlig normal. Sie wohnen immer noch in Nürtingen. Dort ist es absolut unangestrengt, weil mich jeder kennt: Servus, bisch mol wieder do? Komischerweise fall ich dort sofort in die Zeit zurück, als wär ich 15: Die Leute duzen mich, und ich sieze die natürlich. Jeder wohnt noch da, wo er früher gewohnt hat, und ich kenne über meine Mutter auch die ganzen Krankheitsgeschichten ...

ZEIT: Man hätte eigentlich gar nicht weggehen müssen? Man könnte sich vorstellen, die ganze Karriere sei nur ein Traum gewesen?

Schmidt: Im Grunde ja. Im Grunde ist es so, als wäre ich nie weggewesen. Und oft denke ich auch: Ich hätte nicht weggehen müssen. Vor einiger Zeit lag ich in der Badewanne bei meinen Eltern, es war Samstagabend, 18 Uhr, die Glocken läuteten wie vor 40 Jahren, und das hat mich in meine Vergangenheit zurückkatapultiert. Und ich dachte mir: Hat sich eigentlich alles nicht gelohnt. Das fand ich total entspannend. Man kennt jetzt Franz Beckenbauer, und Horst Köhler gibt einem die Hand, irgendwie schön. Aber: dafür dieser ganze Aufwand?

Aus: Die ZEIT, 27. September 2007, Interview mit Schauspieler und Kabarettist Harald Schmidt

Quelle: Die Zeit

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